Definition “Tiergestützte Therapie”
Quelle: © European Society for Animal-Assisted Therapy (ESAAT – Stand: Januar 2012)
Im Bereich des therapeutischen, pädagogischen, pflegerischen und sozialen Arbeitens mit Tieren gibt es eine Vielzahl von Begrifflichkeiten, die eine Verständigung unter den Professionen, die tiergestützt tätig sind, aber auch zu anderen Professionen erheblich erschweren. Auch der Anerkennung als professionelles Arbeitsgebiet steht die Aufsplitterung der Begrifflichkeiten im Wege.
Die European Society of Animal Assisted Therapy (ESAAT) hat deshalb auf ihrer Generalversammlung am 17.9.2011 in Wien die folgende Definition für tiergestützte Therapie beschlossen.
Präambel
Als europaweite Institution muss sich die European Society of Animal Assisted Therapy (ESAAT) an international anerkannten Klassifikationssystemen orientieren. Mit der „International Classification of Functions“ (ICF) hat die Weltgesundheitsorganisation ein Instrument geschaffen, das in einer einheitlichen und standardisierten Form eine Sprache und einen Rahmen zur Beschreibung von
Gesundheits- und mit Gesundheit zusammenhängenden Zuständen zur Verfügung stellt. Sie definiert Komponenten von Gesundheit und einige mit Gesundheit zusammenhängende Komponenten von Wohlbefinden (wie Erziehung/Bildung und Arbeit).
Die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit der Weltgesundheitsorganisation ist schon seit einigen Jahren in vielen Bereichen die Grundlage für therapeutische und pädagogische Prozesse. Sie definiert Therapie überordnet. Therapie im Sinne der ICF umfasst „Therapie“, „Förderung“, „Training“, „Rehabilitation“ wie auch die „Initiierung von Lernprozessen“.
Der Begriff „tiergestützte Therapie“ wird seit vielen Jahren für den therapeutischen und pädagogischen Einsatz von Tieren verwendet. Daher erscheint es sinnvoll diesen als Überbegriff umfassend für alle tiergestützten Maßnahmen (wie z.B. tiergestützte Interaktion, tiergestützte Pädagogik, tiergestützte Förderung, tiergestützte Interventionen) zu benützen. Therapie wird hier umfassend im Sinne einer professionellen Helferbeziehung mit Einflussnahme auf den Menschen verstanden. Damit umfasst der Begriff auch präventive und fördernde Maßnahmen.
Die teils strenge Abgrenzung der unterschiedlichen Begrifflichkeiten und ihre Aufsplitterung führt in der Praxis zu enormen Problemen. Sie ist aus Sicht der ESAAT eine Ursache, der bisher geringen Anerkennung der tiergestützten Therapie bei den politischen Entscheidungsträgern. Die bislang von der Delta Society vorgenommenen Unterscheidungen sind heute für Europa in der Praxis nicht zielführend.
Um längerfristig ein Berufsbild erlangen zu können, muss aus Sicht der ESAAT ein einheitlicher, sofort verständlicher Begriff verwendet werden. Die Festlegung von Begrifflichkeiten ist eine originäre Aufgabe der ESAAT, die sich als eine „professional community“ versteht, die Ausbildungskriterien und Standesregeln festlegt, sowie deren Kontrolle garantiert.
Zukünftig wird daher empfohlen nicht mehr das Adjektiv „tiergestützt“ z.B. „tiergestützte Heilpädagogik“ zu verwenden, sondern nur noch den Begriff „tiergestützte Therapie“ also z.B. „tiergestützte Therapie in der Heilpädagogik” oder „tiergestützte Therapie in der Sozialarbeit“, sofern das therapeutische Angebot durch Fachkräfte der Tiergestützten Therapie erfolgt.
Tiergestützte Therapie
„Tiergestützte Therapie “ umfasst bewusst geplante pädagogische, psychologische und sozialintegrative Angebote mit Tieren für Kinder, Jugendliche, Erwachsene wie ältere Menschen mit kognitiven, sozial-emotionalen und motorischen Einschränkungen, Verhaltensstörungen und Förderschwerpunkten. Sie beinhaltet auch gesundheitsfördernde, präventive und rehabilitative Maßnahmen.
Tiergestützte Therapie findet im Einzel- und Gruppensetting statt.
Basis der tiergestützten Therapie ist die Beziehungs- und Prozessgestaltung im Beziehungsdreieck Klient – Tier – Bezugsperson. Tiergestützte Therapie beinhaltet Methoden, bei denen Klienten mit Tieren interagieren, über Tiere kommunizieren oder für Tiere tätig sind. Die Durchführung erfolgt zielorientiert anhand einer klaren Prozess- und Themenorientierung unter Berücksichtigung tierethischer Grundsätze mit anschließender Dokumentation und fachlich fundierter Reflexion.
Allgemeine Ziele der tiergestützten Therapie sind:
1. die körperlichen, kognitiven und emotionalen Funktionen wiederherzustellen und zu erhalten,
2. die Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Durchführung von Aktivitäten und Handlungen zu fördern,
3. das Einbezogensein in die jeweiligen Lebenssituation zu fördern und
4. das subjektive Wohlbefinden zu verbessern.
Damit soll erreicht werden, dass der einzelne Mensch in unterschiedlichen Lebensbereichen seinen Fähigkeiten entsprechend agieren und partizipieren kann.
Die spezifischen Ziele der tiergestützten Therapie orientieren sich ausgehend von der Indikationsstellung an Bedürfnissen, Ressourcen und am Störungsbild sowie dem Förderbedarf des jeweiligen Klienten.
Tiergestützte Therapie steht in enger Beziehung zu anderen verwandten Wissenschaftsdisziplinen wie Psychotherapie, Psychologie, Medizin, Pädagogik, Ethologie und Veterinärmedizin.
Tiergestützte Therapie wird von einer Fachkraft mit einer Fachausbildung für tiergestützter Therapie und kontinuierlicher Weiterbildung durchgeführt. Als Fachausbildungen gelten nur solche die den Kriterien der ESAAT entsprechen, von dieser akkreditiert sind und mindestens 60 ECTS umfassen. Je nach eingesetzten Tierarten sind weitere tierspezifische Ausbildungen mindestens entsprechend der Basisausbildung der ESAAT zu absolvieren. Die kontinuierliche fachspezifische Weiterbildung in tiergestützter Therapie umfasst mindestens 16 Stunden in zwei Jahren.
Aufgabe der „Fachkraft für tiergestützte Therapie“ ist es in ihrem grundständigen Berufsfeld oder unter fachkompetenter Einbindung durch den Einsatz eines Tieres bzw. eines Therapiebegleittier- Teams den Menschen in seinem Bedürfnis nach Linderung seiner Beschwerden, Autonomie und personaler und sozialer Integration zu unterstützen. Die fachkompetente Einbindung erfolgt je nach Einsatzfeld durch Ergotherapeuten, Physiotherapeuten, Psychologen, (Sozial-) Pädagogen u.a.m.
Die Fachkraft plant die Maßnahmen anhand unterschiedlichster Konzepte und Ansätze für unterschiedliche Zielgruppen, führt sie zielorientiert durch und dokumentiert sie anschließend. Die Interventionen der Fachkraft basieren auf dem Beziehungsdreieck Therapeut - Tier - Klient, müssen prozess- und themenorientiert gestaltet sein und durch eine fachlich fundierte Reflexion hinterfragt werden. Die Fachkraft bezieht dabei das soziale Umfeld und andere involvierte Fachkräfte in die Erarbeitung der Zielorientierung und die Verlaufsreflexion beim einzelnen Klienten ein.